Neun Stämme
Das Erbe der Indigenen und die Wurzeln der Moderne
Zusammenfassung
Was haben Montaignes Kulturkritik und die amerikanische Demokratie, Freuds Totemismus-Theorie und Lévi-Strauss' Strukturalismus, Brücke-Maler und Surrealisten, Hippies und die Sexuelle Revolution miteinander gemein? Karl-Heinz Kohl zeigt am Beispiel von neun Stämmen, wie diese und viele andere Theorien, avantgardistische Strömungen, Emanzipations- und Protestbewegungen vom faszinierten Blick auf indigene Völker geprägt wurden. Er erklärt, wie die Indigenen sich die Faszination des Westens selbst zunutze machten und wie eng verflochten die scheinbar so gegensätzlichen Welten in der Moderne sind. Sein anschaulich und fesselnd geschriebenes Buch ist ein großer Wurf, der die Debatten über "kulturelle Aneignung" neu beleben wird. Seit den ersten großen Entdeckungsfahrten an der Schwelle zur Neuzeit haben Berichte von fremden Ländern und Menschen die Europäer in ihren Bann geschlagen. Ihre Nacktheit hat europäische Sitten in Frage gestellt. Ihre Gesellschaftsordnungen haben Protestbewegungen beflügelt. Ihre Kunst hat die europäischen Avantgarden inspiriert. Und ethnographische Beschreibungen haben – von Friedrich Engels' materialistischer Geschichtsauffassung bis zum postkolonialen «Anthropophagismus» – zu einer Flut an Theorien geführt, die teils bis heute unser Bild vom Menschen prägen. Karl-Heinz Kohl erklärt, warum der Westen vor allem in neun Stämmen sein Alter Ego gefunden hat. Er geht den Berichten über sie nach, erzählt anschaulich, wie sie über 200 Jahre lang die europäische Kultur auf den Kopf gestellt haben, und zeigt an vielen überraschenden Beispielen, wie sich auch die indigenen Kulturen in diesem Prozess verändert haben.
Schlagworte
- 2–6 Titelei/Inhaltsverzeichnis 2–6
- 7–14 Einleitung 7–14
- 15–34 1 Im Land der Anthropophagen: Die brasilianischen Tupinambá 15–34
- Kannibalen und der Blick in den Spiegel
- Sinnbilder eines ganzen Kontinents
- Kannibalismus als Alternative: Der brasilianische Modernismó
- Wir sind alle Kannibalen: Claude Lévi-Strauss
- From the enemy’s point of view: Kannibalistische Metaphysik
- Die letzten Tupinambá
- 35–54 2 Antike Demokratie in der Neuen Welt: Bild und Selbstbild der Irokesen 35–54
- Glanzvolle Abstammung
- Zwischen den Fronten
- Vom antiken Kostümfest zur modernen Verwandtschaftsethnologie
- Vorreiter contre coeur: Jakob Bachofen, der Sozialismus und die Frauenrechtsbewegung
- Die Iroquois Influence Theory und die Grundprinzipien der amerikanischen Demokratie
- Mother Earth
- 55–86 3 Die Aranda Zentralaustraliens und ihr Platz in den Ursprungsnarrativen von Kulturgeschichte, Soziologie und Psychoanalyse 55–86
- Die Katastrophe
- Forscher und Missionare
- Totemismus und Traumzeit
- Kleiner Stamm, große Theorien
- Totemismus, Neurosen und Kultur: Sigmund Freud
- Überall Sexuelles: Geza Róheims Ethnopsychoanalyse
- Ethnograph und Ritualführer: Theodor G. H. Strehlow
- Der Kampf um Erbe und Eigentum
- 87–108 4 Menschen, die rote Aras sind: Die Bororo des brasilianischen Sertão 87–108
- Verhaltenslehren der Kälte: Forschungsversuche in Brasilien
- «Naturmenschen» auf der Panoramatapete
- Karl von den Steinen und die roten Papageien
- Lucien Lévy-Bruhls Theorie des primitiven Denkens
- Claude Lévi-Strauss und der Geist des Strukturalismus
- Großgrundbesitzer, Regierungsbehörden und Missionare
- Leere Särge und der Weg an die Öffentlichkeit
- 109–138 5 Palau: Das Tahiti des deutschen Expressionismus 109–138
- Edle Wilde: Nachrichten aus der Südsee
- Going native: Semper und Kubary
- Von der Kokosnuss-Romantik zur deutschen Kolonie
- Clans und Kriege, Männerklubs und Frauenbünde
- Kunst und Lebensgefühl: Der «Palau-Stil» der «Brücke»
- Tückische Tropen: Nolde, Pechstein, Benn
- Auf der Suche nach dem verlorenen Besitz
- 139–174 6 Das Gift der Gabe: Die Kwakwaka’wakw und der Potlatch 139–174
- Die Entdeckung der Kwakiutl: Franz Boas
- Potlatch, Prestige und Wappenpfähle
- Skandal bei der Chicago World Fair
- Ostentativer Reichtum: Thorstein Veblen und F. Scott Fitzgerald
- Ethnographische Fotos und Filme: Edward C. Curtis und John Flaherty
- Dionysische Menschen und Gabentausch: Ruth Benedict und Marcel Mauss
- Surrealistische Begeisterungen
- Hoffnung auf Erlösung: Die amerikanische Avantgarde
- Von Claude Lévi-Strauss zum Poststrukturalismus
- Strafverfolgung, Raub und kulturelle Renaissance
- Restitutionen und die Rückkehr der Traditionen
- 175–206 7 Im Land der Hopi: Schlangentänze, die Kunst der Avantgarde und Prophezeiungen vom Ende der Welt 175–206
- Ein Tummelplatz der Ethnologen
- Götter, Kachinas, Rituale
- Im Bann des Schlangentanzes: Aby Warburg
- Die Künstlerkolonie Los Gallos
- Kachina-Puppen und künstlerische Avantgarde
- Flower Power: Hopi und Hippies
- Revitalisierung: Erbe und Eigentum der Hopi
- 207–232 8 Samoa, der Papalagi und das Ende der sexuellen Repression 207–232
- Migranten der Südsee
- Eine Insel gerät in Verruf
- Ein Reiseschriftsteller aus Hamburgin Deutschlands «Perle der Südsee»
- Von der Krankheit des Denkens
- Freiheit in Liebesdingen: Margaret Mead
- Die Freeman-Mead-Kontroverse
- Chief Isaia schlägt zurück
- 233–260 9 Die Dogon von Mali: Geschichte einer Obsession 233–260
- Afrikanische Besessenheit: Die Mission Dakar-Djibouti
- Ultramodern und ultraarchaisch: Berichte über die Dogon
- Die Geheimnisse entschlüsseln: Leiris und Griaule
- Die Kunst der Dogon in der klassischen Moderne
- Erstaunliche Wahlverwandtschaften: Die Mythen der Dogon
- Cinéma vérité: Jean Rouchs Dokumentationskunst
- Verschwimmende Unterschiede: Ethnopsychoanalytische Einsichten
- Von der Ethno-Fiktion zur Selbstexotisierung
- Das kulturelle Erbe und seine Bedrohung
- 261–262 Dank 261–262
- 263–312 Anhang 263–312
- Anmerkungen
- Personenregister
- Register der ethnischen Gruppen
- 313–313 Zum Buch 313–313
- 313–313 Über den Autor 313–313