Das Geschenk des Orest
Eine Geschichte des nachrömischen Europa
Zusammenfassung
Dieses Buch ist eine Provokation. Konsequent wird der Abschied vom Epochendenken vollzogen – im konkreten Fall das "Mittelalter" zu Grabe getragen. An die Stelle dieser längst anachronistischen Prägung für 1000 Jahre Geschichte, die man als Epochenportion etikettieren und beruhigt in den Bücherschrank stellen kann, tritt ein neues Nachdenken über eine dynamische Phase des lateinischen Europas. Diese hat weit mehr mit der Entstehung der gegenwärtigen Zivilgesellschaften zu tun, als es sich die Erfinder des Epochenmodells vorgestellt haben. Seit dem 18. Jahrhundert lud die Idee einer "antiken" römischen Hochkultur und ihrer intellektuellen "Wiedergeburt" 1000 Jahre nach ihrem "Untergang" die historische Fantasie zur Identifikation ein und stempelte die Zeit dazwischen zu einem "Mittelalter" ab – ein seltsames Konzept, das trotzdem bis heute wirkmächtig ist. Wie wenig diese Art, Vergangenheit zu deuten, heute noch erklären kann und wie sehr sie aktuellen Erklärungsbedarf geradezu blockiert, macht Bernhard Jussen in seinem reich bebilderten Buch deutlich. In sieben Großkapiteln gelingt ihm ein faktenreicher, frischer, gut erzählter Einstieg in eine Revision der Geschichte des lateinischen Europas.
- Kapitel Ausklappen | EinklappenSeiten
- 2–8 Titelei/Inhaltsverzeichnis 2–8
- 9–24 Nach dem Eurozentrismus. Hinterlassenschaften, große Erzählungen, Medien und die Ordnung des historischen Materials 9–24
- 25–62 1. Das Grab der Turteltaube.Spuren einer epochalen Revolution 25–62
- Du warst wirklich eine Turteltaube. Eine reiche Römerin inszeniert die neue Gesellschaft
- Als die Ahnen entmachtet wurden. Die überlebenslange Monogamie und ihre Folgen für die Institutionengeschichte
- Das Grab der Turtura und die Transformation der Totensorge. Auf dem Weg zum Jahrtausend der Turteltaube
- 63–82 2. Das Geschenk des Orest. Auf der verlorenen Suche nach Ausdrucksweisen politischer Autorität 63–82
- Rom/Tiber, zum 1. Januar 530. Eine verlorene politische Welt im Kleinformat
- Das Schicksal des Orest.Verlierer und Gewinner der Neuorientierung
- 83–162 3. Das echte Bild des Herrn. Die fränkischen Höfe befreien die Maler 83–162
- Der letzte Reiter am Bosporus. Statuenpolitik in Neu-Rom
- Das echte Bild Christi als politisches Emblem. Politische Bildsprache nach den Reitern
- Die Lateiner bleiben unbeeindruckt. Auf Distanz zum Bild des Herrn
- Mit dem Bronzepferd über die Alpen. Auf Sichtweite zum Triumph
- Auf lange Sicht - Pfadabhängigkeiten. Sakralkönige, Kohärenzinseln, Ikonen im Westen und der Kultbild-Ablass-Reformation-Komplex
- 163–202 4. Die Zeichnung des allersüßesten Gozbert. Gedankliche Architekturen kultureller Grundorientierung 163–202
- Poeten als Baumeister. Gedankengebäude eines Lebensentwurfs
- «Orte» und «Bilder» einer büßenden Gesellschaft. Altäre, Totensorge und der Geldwert der Messe
- Kloster ohne Klostermauern. Viele Gozberte, Familien ohne Ahnenkult, geschenktes Land und geopferte Kinder
- Stichwort «Cluny». Ein Blick auf das Ende der vorurbanen Gesellschaft
- 203–240 5. Der Hobel der Eintracht. Überzeugungsarbeit für Frieden durch Selbst-Regierung 203–240
- Eintracht hobelt. Die Kommune mystifizieren
- Im Schnelldurchgang. Schwurvereinigungen, Stadtkommunen, Symbolkämpfe
- 241–320 6. Das Dilemma der Hinterbliebenen. Zwischen ehelicher Treue, Verwandtschaft, Stand und Geschlecht 241–320
- Das Jahrtausend der Turteltaube. Leitsemantiken des nachrömischen Lateineuropa
- «Von der, die sich auf dem Grab ihres Mannes ficken ließ». Ein Dilemma wird diskursmächtig
- Die Großfamilie der dreimal verheirateten Anna. Die Wiederheirat wird bildwürdig und die Großfamilie heilig
- Der Stammbaum wird diskursmächtig. Gebrauchsweisen des Stammbaums nach der Entmachtung der Ahnen
- Semantische Nachbarschaften. Das Dilemma der Hinterbliebenen im Rückblick
- 321–368 7. Der Adam des jüngeren Holbein. Eine Ehescheidung, ein revolutionäres Bild und das Ende der Turteltaube 321–368
- Von Ostendorfer zu Holbein, von Regensburg nach London. Die späte Karriere eines revolutionären Gemäldes
- Negative Anthropologie im Kontext. London 1535
- Konfliktstoff für nicht einmal eine Generation. Das Kampagnenbild zwischen Flugblatt und Tafelgeschirr
- Lateineuropa nach den Römern… Epilog
- 369–370 Dank 369–370
- 371–411 Literaturverzeichnis 371–411
- 412–470 Anmerkungen 412–470
- 471–472 Bildnachweis 471–472
- 473–474 Register geographischer Begriffe 473–474
- 475–477 Personenregister 475–477
- 478–480 Sachregister 478–480
- 481–482 Vorderer Vorsatz: In den 820er Jahren entstandene Grundrisszeichnung einer Klosteranlage (sogenannter Klosterplan von Sankt Gallen), gezeichnet wohl im Kloster Reichenau für einen Empfänger im Kloster... 481–482
- 483–484 Hinterer Vorsatz: Stirnwand der sogenannten Allegorie der guten Regierung (Ausschnitt) im «Palast der Kommune» (heute Palazzo Pubblico) von Siena, gemalt 1337–1339 von Ambrogio Lorenzetti (© mauritius... 483–484