Maos langer Schatten
Chinas Umgang mit der Vergangenheit
Zusammenfassung
Wie kann sich eine Diktatur mit dem Erbe von Unrecht und Staatsverbrechen auseinandersetzen, die unter ihrer Herrschaft begangen wurden? Mit dieser Frage sah sich die Kommunistische Partei Chinas nach dem Tod Mao Zedongs im Jahr 1976 konfrontiert. Gestützt auf eine Vielzahl bislang unbekannter Dokumente entwirft der Freiburger Sinologe Daniel Leese ein breit angelegtes Panorama der chinesischen Politik und Gesellschaft in der kritischen Umbruchphase zwischen 1976 und 1987.
Die Massenkampagnen des «Großen Vorsitzenden» Mao Zedong hatten horrende Opferzahlen gefordert und die Volksrepublik China an den Rand eines Bürgerkriegs geführt. Unter seinen Nachfolgern begann die Kommunistische Partei ein großangelegtes Experiment historischer Krisenbewältigung. Millionen politisch Verfolgte wurden rehabilitiert, Entschädigungszahlungen geleistet und Täter vor Gericht gestellt, allen voran die «Viererbande» um Maos Frau Jiang Qing. Das Ziel bestand darin, einen Schlussstrich unter die Geschichte zu ziehen und alle Energien auf die wirtschaftliche Reformpolitik zu lenken. Aber die Schatten der Vergangenheit ließen sich nicht so einfach bannen. Gestützt auf eine Vielzahl bislang unbekannter Quellen – von vormals geheimen Reden der Parteiführung bis zu Petitionsschreiben einfacher Bürger – zeichnet Daniel Leese ein hochdifferenziertes Bild der Dekade nach Mao Zedongs Tod. Die Auswirkungen dieses Ringens um historische Gerechtigkeit sind in der chinesischen Politik und Gesellschaft bis heute spürbar.
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- 1–12 Titelei/Inhaltsverzeichnis 1–12
- 13–36 Prolog: Zwischen Revolution und Reform 13–36
- Politischer Kurswechsel
- Historisches Unrecht und Übergangsjustiz
- Aufbau und Quellen
- 37–87 1 Revolution und historische Gerechtigkeit 37–87
- Schatten der Vergangenheit
- Verteilungsgerechtigkeit und Landreform
- Gefühlspolitik oder Gehirnwäsche?
- Die Dialektik des Terrors
- Der Umgang mit den städtischen Eliten
- Historische Gerechtigkeit und außenpolitische Staatsräson
- 88–130 2 Recht und Politik 88–130
- Recht und Revolution in der Sowjetunion
- Justiz im Kaiserreich und in der Republik China
- Revolutionäre Justizarbeiter
- Kampagnenjustiz und Hinrichtungsquoten
- Ein kommunistischer Doppelstaat?
- Folgsame Werkzeuge der Partei
- 131–180 3 Klassenjustiz und Staatsverbrechen 131–180
- Die Kulturrevolution
- Justiz und Rechtsprechungspraxis
- Massengewalt in der Kulturrevolution
- Massentötungen im Südwesten
- Institutionalisierter Terror
- Unklare Fronten
- Täter- und Opferkategorien im Wandel
- 181–237 4 Das politische Vermächtnis Mao Zedongs 181–237
- Gespaltene Gesellschaft, zerrüttete Politik
- Konsolidierung als politisches Programm
- Trauer auf dem Tiananmen-Platz
- Der Sturz der Viererbande
- Organisatorische Neuausrichtung
- Historische Gerechtigkeit als Massenkampagne
- Wahrheit, Praxis und Machtpolitik
- 238–303 5 Ordnung aus dem Chaos schaffen 238–303
- Dimensionen und Verfahren
- Rehabilitierung als Gnadenakt oder revolutionäre Ermächtigung
- Kaderpolitik und Aktengebirge
- Wiederbelebung der Einheitsfront
- Der Umgang mit historischen Klassenfeinden
- Deportationen und Zwangsumsiedlungen
- Das schwierige Erbe der Nationalitätenpolitik
- 304–369 6 Die Revision ungerechter, falscher und fehlerhafter Fälle 304–369
- Politische Bilanz im Sicherheitsapparat
- Modellfälle in der Justiz
- Was ist Konterrevolution?
- Kulturrevolutionäre Tatbestände
- Rechtsbewusstsein und die Demokratiemauer-Bewegung
- Die Theoriekonferenz des Jahres 1979
- Die Justiz und das Erbe der Kulturrevolution
- Die Grenzen sozialistischer Gesetzlichkeit
- 370–410 7 Shanhou: Autoritäre Krisenbewältigung 370–410
- Petitionen und Herrschaftslegitimation
- Restitutionsforderungen und die Frage sozialistischer Eigentumsrechte
- Gehälter, Pensionen und die Kritik des bürgerlichen Rechts
- Soziale Fürsorge im Dienst politischer Stabilität
- 411–481 8 Fehler und Verbrechen 411–481
- Prozessvorbereitungen
- Die Kulturrevolution vor Gericht
- Eine neue Perspektive auf die Vergangenheit
- Die Herstellung eines Elitenkonsenses
- Geschichtspolitik im Dienst der Machtpolitik
- Die Suche nach Tätern jenseits der Parteizentrale
- Die «drei Typen Menschen»
- Am Scheideweg
- 482–506 Epilog: Die Illusion eines historischen Schlussstrichs 482–506
- Die «Lösung» eines historischen Problems
- Ein Echo aus der Tiefe der Zeit
- Ein doppelter Schatten
- 507–507 Anhang 507–507
- 507–512 Kurzbiographien wichtiger Akteure 507–512
- 513–515 Übersicht wichtiger Ereignisse, 1976–1989 513–515
- 516–517 Danksagung 516–517
- 518–567 Anmerkungen 518–567
- 568–589 Literaturverzeichnis 568–589
- 590–590 Bildnachweis 590–590
- 591–607 Register 591–607
- 608–608 Karte: Die Volksrepublik China im Jahr 1976 608–608